
Eigentlich war ich immer der Ansicht, Fanart sei etwas für Leute, denen sonst nichts einfällt. Da mir aber im Moment auch nicht viel einfällt und Claymore mich schwer beeindruckt hat, sei die Serie von Norihiro Yagi allen empfohlen, die einen starken Magen haben. Im Setting (Kampf gegen den Dämonen, sog. Yoma, in mittelalterlicher Welt) eher klassisch, erzählt es die Geschichte von Clare (siehe oben) und anderen [magersüchtigen] jungen Frauen, die als halbe Yoma ihre vollblütigen Pendants bekämpfen und dabei ständig Gefahr laufen, ihre Menschlichkeit zu verlieren und zu Erwachten, gewissermaßen Yoma 2.0. zu werden.
Clare ist die schwächste von ihnen, entwickelt aber im Laufe der Geschichte erstaunliche Fähigkeiten und bekommt dafür als Belohnung im Anime auch ein hoffnungsvolles Ende, während die Manga-Serie noch andauert. Auch wenn die Kämpfe brutal sind, Blut spritzt, Gliedmaßen fliegen und der obligatorische Blick unter den kurzen Rock nicht immer ausbleibt, ist die Gewalt hier integraler Teil der dargestellten Welt und kein Selbstzweck (als Gegenbeispiel fällt mir „Elfenlied“ ein, das aus ähnlichen Zutaten besteht, aber insgesamt eine missratene Mischung aus Gemetzel und Softporno ist). Die Atmosphäre ist angemessen bedrückend, auch weil man Clare und die anderen Claymore, aber auch ihre Feinde von ihren menschlichsten Seiten erlebt, die Charaktere tatsächlich Individuen sind und auch graphisch wenig Wünsche offen bleiben (das Viech oben, das ich mir aus den Fingern gesogen habe, ist ein blasser Abklatsch überaus phantasievoller und tödlicher Monster, die die Welt von Claymore bevölkern). Die deutsche Synchro kann sich ebenfalls hören lassen, spezielles Highlight ist die prominente Stimme von Ulrike Stürzbecher (akustisch besser bekannt als Meredith Grey), die die sadistische Claymore Ophelia und vor allem deren Erwachen überaus gänsehauterzeugend umsetzt. Zudem funktioniert, abgesehen von den genretypisch unlogischen Formschwankungen der Kriegerinnen, die entworfene Welt in sich sehr gut. So gibt es eine mysteriöse, jesuitenähnliche Organisation, die die Claymore erschafft (der Name kommt übrigens von den langen Schwertern, eigentlich schottischen Bihändern, die die Mädels mühelos mit einer Hand führen) und die erst mit Männern experimentiert hat, das dann aber aufgab, weil die Kerls im Kampfesrausch sich mangels Selbstbeherrschung fast sofort verwandelten.
Wie genau die Claymore erschaffen werden, bleibt dahingestellt, man will es nach ein paar Andeutungen auch nicht mehr so genau wissen. Clare ist jedenfalls die Einzige, die sich diesem Prozess freiwillig unterzogen hat. Ihre „Ziehmutter“ Theresa, Nr. 1 des Ordens, wurde von der Erwachten Priscilla hinterrücks getötet, und Clare sah die einzige Chance, Rache zu üben, darin, sich Theresas Fleisch und Blut einsetzen zu lassen (ich sag ja – starker Magen). Daher sind ihre Kräfte auch unregelmäßig schwach und dramatischen Schwankungen unterworfen. Erst, als sie den Jungen Raki trifft, regt sich in Clare außer Rachedurst noch eine andere menschliche Regung, allerdings kommt sie ihrer persönlichen Grenze immer näher… und ihrer Erzfeindin Priscilla auch. Clare muss sich irgendwann entscheiden – zwischen Mensch und Monster, zwischen Liebe und Rache.
Übrigens habe ich keine Ahnung, warum sie auf dem Bild ein Buch in der Hand hält – es war einfach da. Weiß jemand, ob sie überhaupt lesen kann?