„Es war eine dunkle, stürmische Nacht. Und der Käpt´n sagte zum Maat: ´Maat, erzähl mir eine Geschichte!´ Und dies war seine Geschichte: Es war eine dunkle, stürmische Nacht. Und der Käpt´n sagte zum Maat: ´Maat, erzähl mir eine Geschichte!´ Und dies war seine Geschichte…“
Seit knapp einer Woche versuche ich jetzt schon, hier etwas über die „Sandmann“-Comics zu schreiben, und stelle fest: es geht nicht. Vielleicht liegt es daran, dass die Geschichten über Dream, den Herrn der Träume, mit meinen eigenen Träumen relativ viel Ähnlichkeit aufweisen, sodass ich mir immer vorkomme, als würde ich etwas hier im Blog verraten, was nicht so richtig rein gehört, oder daran, dass ich mich auch beim fünften Lesen nicht entscheiden kann, ob ich den Zeichenstil nun grässlich lieblos oder schockierend innovativ finden soll. Die FAZ spricht diesbezüglich lieber von „traumartiger Unschärfe„, was ein vorzügliches Synonym ist für: „Der Tuscher schien manchmal einfach keine Lust zu haben“. Bei all den Dämonen, Monstern und Alpträumen, die sich im Reich der Träume und manchmal auch außerhalb dessen tummeln, könnte man ihm (oder vielmehr: ihnen. Die Reihe hat einen enormen Verschleiß an Zeichnern.) das nicht direkt verübeln, allerdings sind die Monster häufig am sorgfältigsten gezeichnet.
Insgesamt umfasst „Sandmann“ neun Bände und erzählt von Dream, einem der sieben Ewigen (eine Art Meta-Götter), der sich nach 70 Jahren in Gefangenschaft eines Okkultisten mit allerlei Veränderungen herumschlagen muss. Dream ist „der Herr dessen, was nie war, nicht ist und nie sein wird“. Für jemanden, der Träume und Geschichten managt, erweist er sich allerdings als erstaunlich unflexibel, zudem hat er das Pech, mit Desire und Despair zwei überaus intrigante Geschwister zu haben (die genau das verkörpern, wonach sie sich anhören). Dafür steht ihm seine große Schwester Death zur Seite (ihren ersten Auftritt hat sie mit einem Mary-Poppins-Zitat, und auch sonst ist sie eine der lebenslustigsten Figuren im Sandmann-Universum. Isn´t it ironic?) Gaiman spielt mit Sagen, Mythen, Urban Legends, historischen Fakten und fast historischen Fakten, außerdem mit Figuren aus anderen Comic-Universen (John Constantin beispielsweise) und macht aus dem, was leicht in einem seltsamen Potpourri enden könnte, eine großangelegte und detailreich verzweigte Geschichte über Macht, Wahn, Einsamkeit und übermäßiges Pflichtbewusstsein. In einer meiner Lieblingsgeschichten nutzt Luzifer, der keine Lust mehr darauf hat, den Höllenherrscher zu geben (so viel zu Milton, ihr wisst schon: „Lieber in der Hölle herrschen, als im Himmel dienen“), genau dieses Pflichtbewusstsein, um Dream fast zu vernichten – er übergibt ihm den Schlüssel zur Hölle, und anstatt das Ding schnell wieder loszuwerden, stürzt Dream sich in Schwierigkeiten, weil er den Schlüssel gern „dem Richtigen“ geben möchte. Luzifer spannt unterdessen am australischen Strand aus.
Eingangs erwähntes Zitat ist übrigens einem Traum entnommen, der im zweiten Band auftaucht. Wer nichts gegen gelegentliche Alpträume hat (oder schon immer mal wissen wollte, womit die ihre Freizeit verbringen) und sich in einen bisweilen etwas sperrigen Zeichenstil hineinversetzen will – auf zum Buchladen. Wenigstens der nächste Comic-Shop müsste immer eine vollständige Sandmann-Ausgabe parat haben.