Kingsman – The Secret Service

Worum geht´s? Arbeiterkind Eggsy legt sich mit der Stadttteilgang seines Stiefvaters an, kommt in Polizeigewahrsam und wird von Harry Hart dem Zugriff des Rechtsstaates entzogen. Hart (Colin Firth als er selbst) ist ein Freund seines verstorbenen Vaters, der ihm vor Jahren eine Halskette gab und das Versprechen, in Not zu helfen. Er ist – genau wie Eggsys Vater – Mitglied der Kingsmen, einer streng geheimen Organisation von Gentleman-Spionen, die sich im Habitus an der englischen Oberschicht und in ihrer Nomenklatur an der Tafelrunde orientiert. Zufälligerweise haben die Kingsmen gerade Nachwuchsprobleme, und so kommt Eggsy nicht nur aus der U-Haft frei, sondern gleich ins Auswahlverfahren. Weil er auf den ältesten Trick der Welt hereinfällt und sich weigert, den ihm eigens dafür überlassenen Hund zu erschießen, besteht statt seiner die taffe Roxy. Als die Welt aber dringend vor dem Superschurken Valentine gerettet werden muss (dessen Wahnsinns-Plan darin besteht, die Menschheit mittels SIM-Karten zu vernichten), kann das aus mir nicht mehr erinnerlichen Gründen nur Eggsy tun.

Worum geht´s wirklich? Egal, wie viele Agentenklischees ironisiert, durchbrochen und persifliert werden, einige bleiben heilig und unantastbar.

  1.  Der gentleman spy ist weiß, männlich, heterosexuell und Angehöriger der sozialen Oberschicht.

Eggsy beginnt zwar als angeblicher Angehöriger der sozialen Unterschicht, aber streng genommen kehrt er im Verlauf der Handlung nur dahin zurück, wo er eigentlich hingehört, schließlich war sein Vater auch ein Kingsman. Die Idee, Eggsy tatsächlich von „ganz unten“ kommen zu lassen, war anscheinend zu gewagt. Fun Fact: James Bond entstammt hingegen der Mittelklasse. Er ist in Wattenscheid (sic!) geboren, verwaist und wuchs bei einer Tante auf. Sein Vater war Ingenieur, seine Mutter Bergsteigerin.

2. Arbeiterkinder haben´s drauf, im Gegensatz zur verzogenen Geldelite.

Eggsy schlägt während des Auswahlverfahrens einen ganzen Haufen Leute, die man mit „generische reiche weiße Schnösel“ zusammenfassen kann. Das unter diesen Leuten jemand sein könnte, der die Ressourcen seines Status gut genutzt hat, ist anscheinend unvorstellbar.

3. Die Bösewichter sind Angehörige von ethnischen Minderheiten, während alle anderen Charaktere weiß sind.

Valentine  ist Afro-Amerikaner, seine Assistentin Gazelle Algerierin.

4. Heterosexuell sind sie aber alle.

Streng genommen nicht so wichtig für die Story. Ganz strenggenommen aber ein Punkt, an dem das Drehbuch prima die Bondgirl-Nummer hätte parodieren können.

5. Frauen sind Assistentin oder Deko.

Eggsys härteste Konkurrenz ist Roxy, der das Drehbuch aber schwache Nerven verpasst hat. Es sei denn, sie erschießt gerade ihren Hund, fliegt mit unzuverlässiger Technik in die Stratosphäre oder gewinnt innerhalb von Sekunden am Telefon das Vertrauen wildfremder Menschen. Aber sie darf nicht besser sein als Eggsy. Gazelle könnte ihre eigene Superschurkin sein, aber aus irgendeinem Grund assistiert sie lieber Valentine bei seinen Plänen. Und schweigen wir über die schwedische Pinzessin Tilde, die Eggsy mit der Aussicht auf Analverkehr zur Rettung der Welt animiert.

6. Liberale und Umweltschützer sind militante Spinner.

Valentine handelt aus Sorge um die Umwelt. Und deren größte Bedrohung ist nunmal die Menschheit als ganzes.

7. Und dieses neumodische Handy- und Internetzeug erst!

Sein Plan würde nicht funktionieren, wäre nicht buchstäbdlich alle Welt verrückt nach kostenlosen SIM-Karten und freiem Internetzugang.

Kann man sich das anschauen? Bis mir aufgefallen ist, wie unfassbar sexistisch der Film ist – von dem latenten Rassismus ganz zu schweigen -, fand ich ihn sehr lustig, danach bereute ich, Zeit und Geld investiert zu haben. Selbst auf die Gefahr, als verklemmte und humorlose Feministin rüberzukommen: weder Colin Firth, noch die Kampfszenen, noch die… äh… finale Explosionssequenz konnten den Film in meinen Augen retten, weil er zu sehr in Klischees verhaftet blieb, die inzwischen nicht mal bei James Bond noch in dieser Konsequenz durchexerziert werden. Es gibt Tatorte, die selbstironischer und hintersinniger sind. Dass „Kingsman“ es also schafft, reaktionärer als die ARD zu sein, ist in gewisser Hinsicht auch eine Leistung.

9 Kommentare

    1. Eigentlich war der Film völlig falsch beworben – als Agentenfilmparodie taugt er jedenfalls nichts. Wobei ich die Schlägerei in der Kirche echt o.k. fand. Also, nicht weil es gerade in einer Kirche war, aber das hatte Schwung.

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          1. Schwer zu sagen, natürlich. Man muss ja auch kein Spitzenkoch sein, um festzustellen, dass eine Suppe versalzen ist.
            Ich denke, generell würde ich sagen: Kurz muss sie sein, und mit möglichst wenig Kampf und möglichst viel Dialog. Ähm. Ja. Wenn ich drüber nachdenke, glaube ich wohl einfach nicht an richtig gelungene Kampfszenen. Die sind für mich generell von übel, und je näher an der Realität (also je uninterssanter und unchoreografierter), desto besser.
            Oder wenn schon, dann wie in Hellsing. Hellsing ist cool.

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  1. Ich fand den Film mäßig – weder gut noch schlecht bis zur Szene am Ende mit der schwedischen Prinzessin, die ihre Freilassung mit Analsex erkauft und dabei so bekloppt übertrieben strahlt, als gäbe es nichts Schöneres auf der Welt als in einer Zelle eingesperrt zu sein und nur darauf zu warten es sich vom „Helden“ (eher: Dem erstbesten, der nicht zu den Bösen gehört und vor der Zellentür auftaucht) von hinten besorgen zu lassen im Gegenzug für die Freilassung.

    Das hat den Film endgültig ruiniert für mich, weil ich das schlicht unfassbar dämlich fand von der Story her und zusätzlich geschmacklos wie die schwedische Prinzessin dargestellt worden ist als Person. Es reicht nicht, dass sie vorher schon hilflos und „blond“ war, nö man musste sie auch noch nachträglich derart reduzieren. … So eine Reaktion eines gefangenen Menschen mit diesem Strahlen dabei mag in Pornos realistisch sein storymäßig, aber in dem Film war es völlig deplatziert.

    Ist auch ein Grund mit dieser Art von „Humor“, warum ich gewisse Filme ab 12 für pubertierende Jungs, die Witze übers Furzen lustig finden, nicht anschaue. Mein Humor ist das nicht – aber nicht wenige scheinen sowas wirklich lustig zu finden.

    Ich hatte mir sogar Erklärungen zu diesem Anal-Joke durchgelesen, aber die wirken auf mich sehr bemüht. … Wenn ich diesen Erklärungen folge, dann hätte sie ihm eigentlich gleich ’nen deepthroat bis zum Ktozenmüssen anbieten müssen. Das wäre s gesehen noch vieeeeel lustiger gewesen. …. *kopfschüttel*

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