Pferde

11. Türchen: Gebraucht

Nach § 90a BGB sind Tiere keine Sachen, werden aber rechtlich wie Sachen behandelt, mit allen, teilweise absurd anmutenden Konsequenzen. Zum Beispiel der Frage, ob Forellen Gebrauchtwaren sein können:

[Weil erst durch Gebrauch einer Sache besondere Risiken entstehen], steht nichts im Wege, lebend gelieferte Forellen als „neu hergestellte Sachen“ zu behandeln. Denn Tiere solcher Art sind nur mit dem in ihrer Existenz („Beschaffenheit“) wurzelnden Lebens- oder Gesundheitsrisiko behaftet, nicht aber mit dem typischerweise durch Gebrauch entstehenden.

(BGH vom 03.07.1985, Az. VIII ZR 152/84)

Da aber Forellen wenig anderes tun, als herumzuschwimmen, und in keinem sinnvollen Sinn des Wortes „gebraucht“ werden, außer vielleicht einmal zum Essen, stellt sich die Frage, wie das mit Nutztieren aussieht, etwa Pferden:

Nach einer im Schrifttum verbreiteten Auffassung sind Tiere stets als „gebrauchte“ Sachen im Sinne von § 474 Abs. 1 Satz 2, § 475 Abs. 2 BGB anzusehen. Begründet wird dies damit, dass eine am Verwendungszweck anknüpfende Abgrenzung nach den Kriterien „neu“ oder „gebraucht“ bei Tieren angesichts vielfältiger Arten und Verwendungsformen nicht nur sachlich unangemessen, sondern auch praktisch nicht oder nur schwer handhabbar sei […] . In Anbetracht der gesetzgeberischen Wertung, nach der jedenfalls junge Haustiere nicht als „gebraucht“, sondern als „neu“ anzusehen sein sollen (BT-Drucks. 14/6040, S. 245), ist der bloße Zeitablauf unerheblich, solange das Tier noch „jung“ ist. Das ist bei dem im Zeitpunkt des Verkaufs erst sechs Monate alten Fohlen, das sich überdies noch nicht von der Mutterstute „abgesetzt“ hatte, ohne Zweifel der Fall.

(BGH vom 15.11.2006, VIII ZR 3/06)

1. Türchen: Kölner Lokalkolorit

Eine Kölner Brauerei ließ zu Werbezwecken ein Pferdegespann in der Stadt herumfahren. Da die Pferde mit dem Ziehen der Werbetafeln noch nicht ausgelastet waren, trat eines von denen gegen einen Pkw, dessen Halterin Schadensersatz von der Brauerei verlangte. Das Amtsgericht Köln musste sich also mit der Frage befassen, ob die Brauerei als Halterin der Pferde ersatzpflichtig war. Die Würde des Richteramtes verbietet Spekulationen zum Kölschkonsum des Amtsrichters, der salomonisch entschied, dass die Beklagte zahlen müsse.

Die Bekl. haftet aber als Halterin des Pferdeteiles des Fuhrwerkes (§ 833 BGB). Das Pferd, rechtlich für sich betrachtet, ist nämlich ein Haustier, auch wenn es am Straßenverkehr teilnimmt und nicht zu Hause wohnt. […] Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat auch eines der beiden Pferde mit einem der 8 Hufe das Auto der Kl. getreten. Damit hat sich die von dem Gesetz verlangte typische Tiergefahr verwirklicht. […]

Deshalb bedurfte es auch keiner Aufklärung, ob das Pferd gegen das Auto getreten hat, weil es als Angehöriger einer Minderheit im Straßenverkehr eine Aversion gegen Blech entwickelt hat oder weil es in seiner Einsamkeit sein Herz mit schönem Klang erfreuen wollte oder ob es seinen Huf als Warnblinklicht betätigt hat, damit es mit dem liegengebliebenen Fahrzeug rechtzeitig als stehendes Hindernis erkannt werden konnte (§ 15 I StVO).

Die Pferde sind auch am 31. 1. 1984 pünktlich um 12.00 Uhr („High Noon“) vor der Postschänke zur Attacke angeritten, um das dort befindliche Auto der Kl. einzutreten, auch wenn die genauen Umstände, wie sie dahin gelangt sind, im einzelnen nicht mehr restlos aufgeklärt werden konnten. […]

Es folgen u.a. Ausführungen über den möglichen alternativen Einsatz von Kühen im Straßenverkehr, mit Bezug auf Heinz Erhardt, bevor es wieder sachbezogen wird:

Die Bekl. möge also die Blötsche (= Eindellungen) am Fahrzeug der Kl. bald möglichst bezahlen. […] Zusammenfassend ließe sich sagen:

„Es war ein Mond nach Sylvester,

da stapften die Pferde vom Sester

verwirrt durch des Kutschers Menkenke

im Süden von Schänke zu Schänke:

Der trank nämlich Kaffee statt Sester.

Der Regen ward zwischendurch fester,

die Pferdehaut folglich durchnäßter,

weshalb dann ein Pferd mit der Pfoten

ein Auto, das dastand getroten.

Wer ruft da: Tritt fester mein Bester!?“

Um das Urteil auch formaljuristisch abzurunden, sei darauf hingewiesen, daß die Nebenentscheidungen auf den § 291 BGB, §§ 91 und 709 ZPO beruhen (falls dies noch jemand ernsthaft interessiert).

Das Urteil in seiner ganzen rechtskräftigen Pracht findet sich hier.