Politik

Mehr Irrationalität wagen.

Hubertus Heil verabschiedet sich von der fortlaufenden Nummerierung der Sozialgesetzbücher, da eigentlich die 13 (XIII) dran wäre, er aber Rücksicht auf Aberglauben nehmen möchte. Daher soll nun auf 12 (XII) die 14 (XIV) folgen. Selten war ich neugieriger auf die „Argumente“ für eine Entscheidung, allein, sie bleiben im Dunkeln (in den veröffentlichen Stellungnahmen zum Entwurf des SGB XIII konnte ich nichts finden). Ich hoffe ja sehr, dass das Ganze sich als schlechter Witz oder ausgebufftes Social-Media-Experiment herausstellt; bis dahin hätte ich ein paar Vorschläge:

  • „§ 13“ wird in allen Gesetzen umbenannt zu „§ 12a“. Fällt bei vielen Regelwerken ohnehin nicht auf.
  • Gerichtsentscheidungen dürfen keinesfalls an einem Freitag, dem 13. ergehen.
  • Ebensowenig Gesetzesbeschlüsse.
  • Wartenummern in Behörden überspringen selbstverständlich die „13“ und alle Zahlen, die auf diese Ziffern enden.
  • Ebenfalls wird es keine Schalter mehr mit der Nummer 13 geben.
  • Auch die Zimmernummern in öffentlichen Einrichtungen sollten entsprechend angepasst werden.

Das alles ist natürlich noch sehr „13“-fixiert und klammert zahlreiche sonstige ungute Gefühle, die Menschen haben können, aus. Politiker brechen sich nichts ab, wenn sie auch auf Folgendes Rücksicht nehmen:

  • Fühlen Tatverdächtige sich bei Ermittlungmaßnahmen gegen sie unwohl, sollte die Polizei rücksichtsvoll von weiteren Maßnahmen absehen.
  • Der Anblick der AfD im Bundestag verletzt die Gefühle vieler Menschen. Meine zum Beispiel. Raus mit denen!
  • Der Anblick der Grünen verletzt zugegebenermaßen auch die Gefühle von Leuten. Also: Raus!
  • Gleiches gilt für CDU, FDP und die LINKE. Irgendwer hat garantiert ungute Gefühle bei deren Anblick.
  • Das Trauerspiel, dass die SPD derzeit ist, ist für sensible Gemüter schwer zu ertragen. Auflösen!
  • Gerichte bescheren vielen Menschen, die sie besuchen, ungute Gefühle. Eine Abschaffung sollte zumindest in Erwägung gezogen werden.
  • Gleiches gilt eigentlich für so ziemlich jedes Gesetz.
  • Dann brauchen wir auch keine Minister mehr und schicken sie in Pension.
  • Dafür hat Hubertus Heil sicher vollstes Verständnis.
  • Ha! Vielleicht war das sein Plan.

 

 

Collage

„Ebenso viele Schwierigkeiten wie die Definition von Genozid bereitet die Einteilung nach der Motivation. […] Rassische und religiöse Verfolgung bilden die letzte Kategorie von Motiven. […] Rassische und religiöse Motive waren natürlich auch oft im Spiel, wenn Genozid durch den Kampf um Land oder Macht provoziert wurde oder dadurch, dass eine Minderheit als Sündenbock angesehen wurde. […] Wie werden die Völkermörder unserer Zeit aber mit dem Konflikt zwischen ihren Taten und universellen Moralvorstellungen fertig? Sie greifen auf eine von drei Arten von Rationalisierungen zurück, die alle nur Varianten der gleichen simplen psychologischen Strategie sind: „Schuld sind die Opfer!“ Erstens halten die meisten Menschen Notwehr für gerecht und vertretbar.

„Menschen, die aus Österreich einreisen, haben kein Asylrecht (Art 16 a Abs. 2 GG). Ihnen ist die Einreise zu verweigern (18 Abs. 2 AsylG). Und wenn Sie das HALT an der Grenze nicht akzeptieren, „können die Vollzugsbeamten im Grenzdienst Schusswaffen auch gegen Personen einsetzen.“ (§ 11 UZwG). Wer das HALT an unserer Grenze nicht akzeptiert, der ist ein Angreifer. Und gegen Angriffe müssen wir uns verteidigen. Die Menschen sind in Österreich in Sicherheit. Es gibt keinen Grund, mit Gewalt unsere Grenze zu überqueren.“ (Beatrix von Storch, stellvertretende AfD-Vorsitzende, am 30.01.2016 auf Facebook, Screenshot hier)

Auch in Stuttgart eckt nicht nur Gedeon an. Unter den 22 anderen Parlamentariern sind weitere mit grenzwertigen Ansichten aufgefallen. So beobachtet Christina Baum, eine Zahnärztin aus dem Main-Tauber-Gebiet, nach eigenen Worten einen „schleichenden Genozid an der deutschen Bevölkerung durch die falsche Flüchtlingspolitik der Grünen“. (Christina Baum, stellvertretende Landessprecherin der AfD in Baden-Württemberg, Januar 2016, Quelle 1, Quelle 2)

Liebe Freunde, und unser liebes Volk ist im inneren tief gespalten und durch den Geburtenrückgang sowie die Masseneinwanderung, erstmals in seiner Existenz tatsächlich elementar bedroht. (Björn Höcke, Rede am 17.01.2017 im Dresdner Ballhaus Watzke, Quelle).

[…] Die zweite klassische Rechtfertigung für die unmenschliche Behandlung „anderer“, einschließlich deren Ausrottung, ist die eigene Zugehörigkeit zur „richtigen“ Religionsgemeinschaft,

„Vor diesem Hintergrund [Verfolgung von Christen im Nahen Osten, Anm. d. Red.] ist die Auseinandersetzung mit dem Islam in Deutschland von einer Mischung aus Wunschdenken und Naivität geprägt. Es ist nicht einsehbar, dass der Islam, sollte er zu weiterem politischem Einfluss in Deutschland gelangen, sich gegenüber religiös Andersdenkenden anders verhalten sollte als in seinen Stammländern. […] Die theologischen Gemeinsamkeiten zwischen Islam und Christentum werden zumeist überschätzt, da die Kernbotschaften des Christentums, insbesondere die Gottessohnschaft Jesu und Seine Wiederauferstehung, vom Islam geleugnet werden.“ (Grundsatzerklärung der Christen in der AfD, Quelle)

Unsere Freiheit wird bedroht durch den Islam! Der Islam ist eine totalitäre Ideologie, welche sich anschickt, unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit, unsere Gesellschaft zu unterwerfen. […] Statt Islamunterricht einzuführen, wie es derzeit an unseren Schulen geschieht, sind wir für die Einführung von Islamkunde im Rahmen eines verpflichtenden Ethikunterrichts! Die Aussagen des Korans und der Scharia müssen unserem Grundgesetz und zur Anschauung dem Neuen Testament gegenüber gestellt werden. Dieser Vergleich bringt Licht ins Dunkel und zeigt: Der Islam ist inkompatibel zu unseren Werten. (Stephan Koethe, Mitglied im Landesvorstand der AfD Baden-Württemberg, Rede vom 09.04.2017, Quelle).

Rasse

Immerhin hat eine Minderheit von Unerschrockenen sich durch diese Art von Meinungsdiktat nicht irritieren lassen und hinreichende Gründe für die Annahme benannt, daß die R. nicht nur in bezug auf das Äußere von Menschen Bedeutung hat, sondern auch in bezug auf solche Faktoren wie durchschnittliche Intelligenz, Individualismus oder Kollektivismus, körperliche Fähigkeiten. (Institut für Staatspolitik, Leitbegriff „Rasse“.)

oder politischen Glaubensgemeinschaft bzw. die vermeintliche Verkörperung des Fortschritts oder einer höheren Kulturstufe.

„Diese jungen Männer, die man ins Land gelassen hat, die kommen nämlich aus archaischen, tribalen Kontexten, sie kommen aus Stammesgesellschaften. […] Und mit dieser kulturellen Prägung kommen sie über unsere Grenzen und legen natürlich diese kulturelle Prägung nicht beim Grenzüberschritt ab, sondern leben diese kulturelle Prägung auch bei uns. […] Der Mörder von Mia ist archaisch, der Mörder von Mia ist aus einer Stammesgesellschaft stammend, der Mörder von Mia ist Mittelalter. Und wir […] wollen nicht zurück ins Mittelalter.“ (Björn Höcke, Rede in Eisleben am 20.01.2018, Quelle, kompletter Mitschnitt).

Für Festerling sind “Ehrenmorde, Scharia, Clanfürsten, arabische Großfamilien, Kopftreterei, Karikaturenstreit, (…) No-Go Bereiche, Moscheen, Hass-Prediger” keine Bereicherung. Weil sich Deutschland bereits kulturell verändert habe werde “mit Volldampf das eigene Verschwinden weiter befeuert”. Kulturelle Bereicherung empfänden wohl nur die Menschen, die sich mit der eigenen Kultur nicht mehr verbunden fühlten und dächten, dass Kultur “bei Apple im iTunes-Shop stattfindet.” (Tatjana Festerling am 07.09.2015 in Dresden, Quelle)

[…] Drittens und letztens werden Tiere moralisch anders bewertet als Menschen, weshalb moderne Völkermörder ihre Opfer gern mit Tieren auf eine Stufe stellen, um ihre Verbrechen zu rechtfertigen.“ (dieses und alle vorhergehenden nicht-kursiven Zitate: Jared Diamond: Der dritte Schimpanse, 7. Auflage, Frankfurt am Main 2014, S. 360 ff.)

PLÖTZLICH LIEGEN IN DEUTSCHLAND SIGNIFIKANT VERMEHRT TOTE FRAUEN IN IRGENDWELCHEN GEBÜSCHEN! Liegt bestimmt am Wetter. […]
05.04.17, 09:27:54: ‪Das sind tollwütige Tiere , gesunde tun so etwas nicht 🏹👎🏿👎🏿👎🏿 (Auszug aus den geleakten AfD-Chats, Quelle).

 

Warum Schwarz-Grün besser ist

Unter einem Aspekt wäre Schwarz-Grün jedenfalls definitiv einer großen Koalition vorzuziehen: Schwarz-Grün wäre kontrollierbarer.

Schlössen sich Union und SPD zusammen, wäre das nicht einfach nur eine Große, sondern eine Größte Koalition mit insgesamt 503 von 630 Sitzen.  Die verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit liegt bei 420 Sitzen und ist damit sogar mit einem guten Puffer gegen „Abweichler“ überschritten, was heißt, dass die Regierungsfraktionen nach Belieben im Grundgesetz herumpfuschen können dass Verfassungsänderungen dann jedenfalls theoretisch deutlich leichter fallen. Und dazu kommt die Tatsache, dass die verbliebene Opposition ein wichtiges Recht nicht mehr wahrnehmen kann: den Untersuchungsausschuss, oder vielmehr: die Einsetzung eines solchen gegen den Willen der Regierung. Gemäß Art. 44 GG ist dies nur dann möglich, wenn mindestens ein Viertel der Mitglieder des Bundestages es verlangt, allerdings sind das bei 630 Sitzen aufgerundet 158 Abgeordente, die es dafür braucht, während Grüne und Linke aber zusammen nur auf 127 kommen. Zwar können sie Anfragen zum Regierungshandeln stellen, aber da die Drohung eines eventuellen Untersuchungsausschusses vom Tisch ist, könnte die Beantwortung der Anfragen darunter möglicherweise etwas leiden. Zwar steht dem Fragerecht der Abgeordneten auch eine notfalls vor dem Bundesverfassungsgericht einklagbare Antwortpflicht der Regierung gegenüber – dennoch würde „ein fester Bestandteil der parlamentarischen Demokratie und der Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition“ plötzlich fehlen, der von beantworteten Anfragen wahrscheinlich nur unzureichend ersetzt werden kann.

(Was bei Sondierungen, Vor-Sondierungen oder Vorsondierungsvorgesprächen, oder was immer gerade aktuell ist, höchstwahrscheinlich absolut keine Rolle spielt. Ich mein ja auch bloß.)

Ich bin eine Liberale, verachtet mich!

Hauptsächlich natürlich, weil ich dafür eintrete, dass Leute von ihrer Arbeit nicht leben können, im Winter frieren und schlussendlich auf der Straße oder noch besser im Straßengraben verrecken. Hätten sie halt was Vernünftiges gelernt. Außerdem bin ich total sozialkalt, würde niemals irgendwem helfen, und sei es, dass es mich nichts außer 5 Minuten meiner Zeit kostet, denn schließlich hat sich jeder selbst die Lage zuzuschreiben, in der er sich befindet, was mich schon verdächtig in die Nähe der Nazis rückt, denn die waren ja auch dafür, dass jeder das Seine kriegt. Außerdem propagiere ich Egoismus, Opportunismus, das mit der Sozialkälte hatte ich zwar schon, aber man kann es nicht oft genug sagen, und überhaupt rundum den totalen, schieren Eigennutz. Ich klatsche Unternehmern Beifall, die ihre Arbeitnehmer mit Hungerlöhnen abspeisen, sie schuften lassen, bis sie umfallen, und ihnen schlussendlich kündigen und sich natürlich mithilfe gerissener, schmieriger Winkeladvokaten ihrer Verpflichtung zur Abfindungszahlung entledigen. Südeuropäische Länder gehören geknechtet, bis dort alle am Boden liegen, damit sie das mit dem Sparen endlich mal lernen. Wie jetzt, Finanzmärkte? Was können die dafür, wenn andere zu doof sind, ihre Angelegenheiten zu regeln? Außerdem bin ich voll dafür, alle Menschen (bis auf oben erwähnte Unternehmer natürlich) in der kapitalistischen Tretmühle rennen zu lassen, bis sie umfallen, damit sie auf keinen Fall dazu kommen, die Verhältnisse oder auch nur ihr eigenes Leben zu reflektieren, denn wer schwach ist, ist schließlich selbst dran schuld, faul und dumm und hat keinerlei Unterstützung verdient, sonst könnte man sie auch gar nicht mehr so schön ausbeuten. Sozialer Frieden ist mir übrigens komplett egal, ich wohne dann einfach in einer abgesicherten, von einer privaten Security bewachten Wohnanlage. Das geht natürlich nur, indem ich mich an die fiesen Unternehmer ranschmeiße und für sie die schmierige Winkeladvokatin gebe, die es ihnen erlaubt, sich auch noch aus der letzten sozialen Verpflichtung herauszuwinden. Und aus ihren Steuerpflichten sowieso.

[Ich weiß manchmal nicht, was mich mehr aufregt. Dass man sich dank der FDP nach vier Jahren, in denen „Liberale“ an der Regierung beteiligt waren, immer noch mit demselben Quatsch auseinandersetzen muss, sobald man das Wort „liberal“ in den Mund nimmt. Oder dass es Leute gibt, die bereitwillig und bedenkenlos anderen derartig fiese und außerdem dumme Ansichten unterstellen, dass ich manchmal lieber nicht wissen will, was in deren Kopf sonst noch vorgeht.]

Rundfunkbeitragsbashing ist billig, macht aber Spaß.

Der ehemalige Verfassungsrichter Dieter Grimm hat der FAZ ein Interview gegeben, in welchem er sich für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk allgemein und dessen Gebührenfinanzierung speziell stark macht. Selbst wenn ich vorher nicht dagegen gewesen wäre, wäre ich es spätestens jetzt, denn seine Gründe sind so schwammig, dass ich mich schon wieder frage, ob das nicht Absicht sein könnte und er eigentlich… aber das ist wohl zu viel um die Ecke gedacht.

(mehr …)